Betriebliches Gesundheitsmanagement

„Leber heißt leben“: Lebergesundheit fördern

„Leber. Aha. Sie planen also etwas zu Alkohol?“ – Eine typische Frage in Gesprächen über eine Kampagne zu Lebergesundheit, die zeigt, was in den Köpfen vieler Menschen installiert zu sein scheint: Lebererkrankungen sind gleichbedeutend mit Alkoholmissbrauch oder einem Suchtproblem. Die Kampagne „Leber heißt Leben“, die mit einem Pilotprojekt in Düsseldorf gestartet ist, hat einen anderen Fokus. Sie vermittelt, wie man „lebergesund“ bleibt, und klärt zu den häufigsten Lebererkrankungen auf. Dazu zählen in Deutschland Virushepatitis B und C, Fettlebererkrankung (Non-alcoholic fatty liver disease, NAFLD) und Fettleberhepatitis (Nicht-alkoholische Steatohepatitis, NASH).

In Deutschland haben mehr als zehn Millionen Menschen erhöhte Leberwerte und damit ein Risiko für eine Lebererkrankung, wobei viele Menschen gar nicht wissen, dass sie betroffen sind. Schätzungsweise jeder Fünfte in Deutschland hat eine nicht-alkoholische Fettleber und bis zu einer Million Menschen habe eine chronische Virushepatitis B oder C. Die Folgen einer chronischen Lebererkrankung können nicht nur Leberzirrhose oder Leberkrebs sein, manchmal sind auch andere Organe mitbetroffen. Leberkrankheiten sind wegen ihrer hohen Sterblichkeitsrate und der Neigung zur Chronifizierung auch von großer sozialmedizinischer Bedeutung: Bei den unter 40-Jährigen sind sie die häufigste Todesursache, Leberkrankungen sind außerdem mit Arbeitsausfall und Frühberentung verbunden.

Der Schmerz der Leber ist die Müdigkeit
Neben Oberbauchbeschwerden können Müdigkeit oder Konzentrationsprobleme auf eine Lebererkrankung hinweisen, was übrigens auch Ärzten oft nicht bewusst ist. Das wiederum ist einer der Gründe, weshalb Lebererkrankungen häufig spät diagnostiziert werden. Der Lebercheck, der aus einem Fragebogen und einer einfachen, kostengünstigen Blutuntersuchung, der Bestimmung eines Leberwerts („GPT“) besteht, soll deshalb helfen, Risikofaktoren für eine Lebererkrankung zu erkennen und Spätfolgen wie Leberzirrhose oder Leberkrebs (hepatozelluläres Karzinom) zu verhindern.

Das „Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention“ (Präventionsgesetz – PrävG) soll den Stellenwert der gesundheitlichen Prävention in unserer Gesellschaft verbessern. Prävention bedeutet dabei nicht nur, Krankheiten frühzeitig zu diagnostizieren, sondern auch umzusetzen, was gesund erhält. Diesen Aspekt greift „Leber heißt Leben“ auf, denn die Kampagne hat nicht nur Sekundär-, sondern auch Primärprävention zum Ziel: So kann beispielsweise mit ausreichend Bewegung, gesunder Ernährung und dem Vermeiden von Übergewicht einer lebensstilbedingten Fettlebererkrankung vorgebeugt werden. Eine Impfung gegen Hepatitis A oder B wiederum schützt vor Infektionen, was auch im beruflichen Kontext wichtig sein kann. Ein Ansatz des Präventionsgesetzes besteht darin, Menschen in ihren Lebenswelten zu erreichen und damit auch am Arbeitsplatz. Denn Präventionsangebote sind dann am erfolgreichsten, wenn sie Menschen in ihrem Alltag ansprechen. Gesundheitsuntersuchungen („Check-ups“) haben auch in diesem Kontext nicht nur die Aufgabe, Erkrankungen früh zu diagnostizieren. Sie sollen individuelle Belastung und Risikofaktoren erkennen, präventionsorientiert beraten und so den Erhalt der Gesundheit fördern.

Diesen „Lebenswelt-Ansatz“ setzt die Kampagne „Leber heißt Leben“ in Düsseldorfer Unternehmen um. Betriebe, die an der Kampagne teilnehmen, informieren ihre Beschäftigten zu Lebergesundheit und bieten über den betriebsärztlichen Dienst die Möglichkeit zum Lebercheck an. Die Kampagne fügt sich damit bestens in bestehende BGF-Angebote wie Ernährungs- und Abnehmkurse, Betriebssport oder Diabetesprävention ein.

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, wie Unternehmen „Leber heißt Leben“ umsetzen können:

· Die Beschäftigten erhalten Infomaterialien zu Lebergesundheit und den Lebercheck, die von den Fachpartnern geprüft sind. Das Infomaterial kann der unternehmenseigenen CI angepasst werden.

· Über den betriebsärztlichen Dienst wird die Möglichkeit zu Beratung, Lebercheck und Blutuntersuchung angeboten.

· Unternehmensinterne Veranstaltungen informieren als „klassische“ Fortbildung oder Lunch-Talk zu Lebergesundheit.

„Leber heißt Leben“ kommt gut an: So erhalten beispielsweise alle städtischen Beschäftigten der Landeshauptstadt Düsseldorf Infos zur Kampagne und die Möglichkeit zum Lebercheck.

Präsent und prominent begleitet
Mit der ehemaligen Bundestagspräsidentin und Bundesgesundheitsministerin Prof. Rita Süßmuth ist die Kampagne am 27. April 2016 im Düsseldorfer Rathaus gestartet. Sie gab zu bedenken: „Lebererkrankungen können jeden treffen und sind nicht nur ein Problem von Randgruppen. Sie sind eine Herausforderung für uns alle.“ Seit Ende April ist „Leber heißt Leben“ für zwei Monate mit einem aufmerksamkeitsstarken Kampagnenmotiv im gesamten Düsseldorfer Stadtgebiet präsent. Auf der Kampagnen-Website gibt es verständliche Informationen zum Thema Leber. Unterstützt und begleitet wird die Kampagne „Leber heißt Leben“, die eigeninitiativ und pro bono von Widhalm Gesundheitskommunikation, Düsseldorf, entwickelt wurde, von renommierten Fachpartnern: der Deutschen Leberstiftung, der Deutschen Leberhilfe e.V., dem Berufsverband der niedergelassenen Gastroenterologen (bng), der Deutschen Arbeitsgemeinschaft zum Studium der Leber (GASL) und dem Universitätsklinikum Düsseldorf (UKD), die auch für die fachliche Richtigkeit der Informationen stehen.

Von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe stammt das Grußwort, die Schirmherrschaft hat der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel übernommen.

Eine Stadt aus dem Ruhrgebiet möchte die Kampagne gerne übernehmen – möglichst bald.

Simone Widhalm

Fragen an Sylvia Voßen, Leiterin Betriebliches Gesundheitsmanagement der Landeshauptstadt Düsseldorf
Betriebliches Gesundheitsmanagement fördert gesundheitsgerechte Arbeit – auch beim Unternehmen „Stadt Düsseldorf“. Können Sie das Betriebliche Gesundheitsmanagement der Landeshauptstadt Düsseldorf kurz skizzieren?

Voßen: Die Stabsstelle „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ besteht seit September 2014 und ist im Personal- und Gesundheitsdezernat der Stadtverwaltung angesiedelt. Die Organisationseinheit umfasst neben der strategischen Steuerungsunterstützung den Betriebsärztlichen Dienst, die Technische Arbeitssicherheit, die Betriebliche Gesundheitsförderung, das Eingliederungsmanagement sowie die Arbeitsplatzausstattung für Menschen mit Behinderungen. Ein Team aus 16 Personen steht für die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit von rund 10.000 Beschäftigten bei der Stadtverwaltung in Düsseldorf in ganz unterschiedlichen Bereichen: Begonnen bei der Verwaltung, über Gärtner, Feuerwehr bis hin zu Erzieherinnen. Wir betreuen ein breites Spektrum an Berufen in verschiedenen Organisationseinheiten und Berufsfeldern bei der Stadt.

Als Arbeitgeber könnte man den Standpunkt vertreten, um seine Gesundheit muss sich jeder selbst kümmern. Warum soll sich ein Arbeitgeber für die Gesundheit seiner Mitarbeiter interessieren, sie fördern? Weshalb ist Gesundheitsmanagement am Arbeitsplatz heute so wichtig für die Zukunft eines Unternehmens?

Voßen: Berufstätige Menschen verbringen viele Stunden am Tag bei ihrer Arbeit, sodass es auch für uns als Arbeitgeberin wichtig ist, ob Menschen gesund sind oder nicht. Gemäß dem im vergangenen Jahr verabschiedeten Präventionsgesetz und natürlich auch schon „immer“ entsprechend dem Arbeitssicherheitsgesetz möchten wir Menschen – unsere Beschäftigten – in ihren Arbeitswelten erreichen: Denn dort können wir sie motivieren und ansprechen, etwas dafür zu tun, gesünder zu werden oder eben gesund und fit zu bleiben. Das hat auch etwas mit Aspekten wie Standortfaktor und Fachkräftemangel zu tun. Wir kümmern uns gerne um die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten, weil gesunde Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motivierter und eher bereit sind, sich an einen engagierten Arbeitgeber zu binden. Außerdem sind Menschen nicht mehr nur an ihrem Verdienst interessiert, die weichen Faktoren, wozu auch das Engagement für die Beschäftigten durch Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) zählt, gewinnen an Bedeutung. Davor kann sich der öffentliche Dienst nicht verschließen: auch wir müssen ein gutes Arbeitsumfeld für unsere Beschäftigten schaffen.

Das „Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention“ (Präventionsgesetz – PrävG) hat den Ansatz, Menschen in ihren Lebenswelten zu erreichen und damit auch am Arbeitsplatz. Wie kann man das Bewusstsein für Prävention im Unternehmen fördern?

Voßen: Wir können über gesundheitliche Risiken informieren und motivieren, an gesundheitsfördernden Maßnahmen (z. B. Sportangebote, Seminare, Radaktiv-Aktion) teilzunehmen. Aber auch Angebote zur Vorsorge gehören dazu. Das fängt bei Beratung zum Impfschutz an und geht über Aktionen zur Darmkrebsvorsorge bis hin zu breit gefächerten Gesprächsangeboten zu allen Lebenslagen der Beschäftigten. Das Angebot, sich im Rahmen der Arbeitszeit oder ganz nah am Arbeitsplatz um seine Gesundheit zu kümmern, erleichtert es vielen Menschen, sich um Prävention Gedanken zu machen. Wir haben alle dienstlich und privat volle Terminkalender und so wird vieles, was nicht akut belastet, vernachlässigt. Und wenn’s dann weh tut, ist es oft zu spät und es kommt häufig zu längeren Ausfallzeiten. Genau deshalb kümmern wir uns um die Gesundheit unserer Beschäftigten.

Gibt es für die Beschäftigten der Landeshauptstadt Düsseldorf bereits Angebote, die den Päventionsgedanken umsetzen? Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Voßen: Prävention hat, wie alles im BGM, zwei Aspekte: Im Bereich der Verhältnisprävention haben wir eine Gesundheitsberichterstattung etabliert, mit der wir einmal monatlich die flächendeckenden Abwesenheitsdaten betrachten und im Steuerkreis analysieren. Daraus ergeben sich wichtige Anhaltspunkte, an welchen Stellen das Unternehmen gegensteuern muss und ermöglichen konkrete Maßnahmen. Daneben bieten wir insbesondere für Führungskräfte Qualifizierungsangebote, um diese zu befähigen, ihr Verhalten, aber auch die Arbeitsorganisation im Hinblick auf Arbeitsplatzgestaltung, Arbeitsmittel und Arbeitsabläufe gesundheitsförderlich zu gestalten.

Darüber hinaus gibt es bei uns eine Vielzahl von verhaltenspräventiven Maßnahmen für die Beschäftigten. Mit jedem Angebot erreichen wir unterschiedliche Personengruppen. Bei Gesundheitstagen sind das zumeist sehr viele. Wenn wir zu mehr Bewegung aufrufen und Bewegungsangebote machen, sieht das anders aus; wobei wir auch gezielte Angebote wie Sport oder Rückengymnastik für Übergewichtige („XXL“) oder die Zielgruppe 50+ machen, also für Menschen, die insgesamt schwieriger zu motivieren sind oder besondere Angebote benötigen. Wir erreichen mit unseren Maßnahmen durchaus den einen oder die andere, die ansonsten vielleicht gar nichts machen würden.

Sie werden in den kommenden Monaten eine neue Kampagne zu Lebergesundheit – „Leber heißt Leben“ – umsetzen. Warum ist dieses Thema für das BGM interessant? Was sind die Ziele dieser Kampagne?

Voßen: Auch hier geht es zum einen darum, Bewusstsein zu schaffen und die Eigenverantwortung der Beschäftigten für ihre Gesundheit zu stärken, aber eben auch darum, über ein Thema zu informieren, das viele von uns so gar nicht im Fokus haben. Die Leberkampagne soll im besten Fall verhindern, dass Menschen später an schweren Krankheitsfolgen leiden und dann möglicherweise lange Zeit arbeitsunfähig sind. Wir haben die Chance, durch die Kampagne Bewusstsein zu schaffen, die Eigenverantwortung der Beschäftigten zu stärken und gleichzeitig am Arbeitsplatz ein Angebot zu machen, das mit relativ wenig Aufwand viel erreichen kann.

Wie planen Sie die Umsetzung? Wie wollen Sie Ihre Beschäftigten bei einem schwierigen Thema wie „Leber“ ins Boot holen?

Voßen: Im Rahmen der Kampagne werden wir gutes Informationsmaterial zur Verfügung stellen, um aufzuklären und unser Betriebsärztlicher Dienst steht als Ansprechpartner zur Verfügung. Hier gilt es zu kommunizieren und die Werbetrommel zu rühren: Je mehr über die Kampagne diskutiert wird, desto größer wird die Erkenntnis sein, dass Lebererkrankungen nicht unbedingt nur etwas mit Alkohol und Drogen zu tun haben.

Lebergesundheit und Arbeitsschutz hängen eng zusammen, wenn man an bestimmte Arbeitsbereiche und Impfungen denkt. Was planen Sie dazu?

Voßen: Hierbei sind wir schon recht gut aufgestellt: Wir haben Gefährdungsbeurteilungen für jene Bereiche, wo Menschen ein größeres Risiko für eine Ansteckungsgefahr haben. Untersuchungen, die dem Lebercheck ähneln oder ein Impfangebot gehören heute schon zum Standard. Beispielsweise beim Rettungsdienst der Feuerwehr, bei dem das Hepatitis-Infektionsrisiko groß sein kann, ebenso bei Beschäftigten in Kindertagesstätten, im Bereich der Jugendfreizeiteinrichtungen oder beim Ordnungs- und Servicedienst, wo es auch zum Kontakt mit aggressiven Personen kommen kann. Die Aktion „Leber heißt Leben“ ist ein weiterer Baustein, um viele Kolleginnen und Kollegen zu erreichen und für das Thema „Lebergesundheit“ zu sensibilisieren.

Lebergesundheit ist auch eng mit gesundem Lebensstil verbunden, um leistungsfähig und konzentriert arbeiten zu können. Gibt es Angebote im Rahmen des BGM, die an die Leberkampagne anschließen und diese ergänzen? Zu Ernährung oder mehr Bewegung? Diabetesprävention?

Voßen: Wir planen, parallel zur Leberkampagne unsere städtischen Kantinen mit einzubeziehen und das Thema „Lebererkrankungen und Ernährung“ in den Fokus zu rücken. Hierzu sollen Angebote gemacht werden, die auch im Arbeitsalltag realisierbar sind. Im Anschluss an die Leberkampagne werden wir für und mit unseren Beschäftigten ein Projekt starten, um Ernährungs- und Bewegungsverhalten zu verändern. Menschen, die durch die Leberkampagne feststellen, dass sie einen Risikofaktor für eine Lebererkrankung oder aufgrund von Übergewicht bereits eine Fettleber haben, können bei dieser weiteren BGM-Maßnahme etwas für ihre Gesundheit tun.

Welches Ergebnis wünschen Sie sich für die Kampagne?

Voßen: Ich wünsche mir, dass möglichst viele Menschen das Informationsmaterial lesen und sich damit auseinandersetzen – und dass nur wenige Menschen wirklich krank sind und nichts davon wissen. Es wäre schön, wenn wir dazu beitragen könnten, dass Menschen mit einer Lebererkrankung oder einem entsprechenden Risiko frühzeitig gegensteuern oder behandelt werden können, um spätere Folgen zu vermeiden.

Sylvia Voßen

Landeshauptstadt Düsseldorf

Betriebliches Gesundheitsmanagement

E-Mail: sylvia.vossen@duesseldorf.de

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